Rezension des Publizisten und Kolumnisten bei „Christ in der Gegenwart“, Herder, Freiburg i.Br., Gotthard Fuchs, zu „mit gott im rugge – Neue Psalmen in Schweizerdeutsch und Hochdeutsch“ (als Buch und CD-1):
Loben ohne zu lügen
„Sie werden lachen – die Psalmen!“, so könnte Bert Brechts überraschende Antwort auch gelautet haben, als er nach seinem Lieblingsbuch gefragt wurde. Diese lebensprallen, spannungsreichen Lieder machen den biblischen Gottesglauben seit Jahrtausenden präsent, und die Bibel zur „Hausapotheke der Menschheit“ (Heinrich Heine). Kunstvoll in Resonanz auf die fünf Bücher Moses ebenfalls in fünf Einheiten komponiert, spricht doch jeder einzelne Psalm für sich. Wie viele davon sind übersetzt oder weiter gedichtet, und haben als Kirchenlieder Generationen geprägt. Die Form des Psalms ist selbst bei denen, denen das Wort Gott nur schwer oder gar nicht mehr über die Lippen kommt, von größter Bedeutung wie etwa bei Paul Celan: Dank und Klage, Jubel und Fluch, Antwort und Frage, und das je in geprägter Form. Aber „das Lied ohne Gott ist tonlos, / es langweilt sich bei sich selbst, /und seine Sänger schlafen“. So heißt selbstkritisch ein „Psalm in tonloser Zeit“ – in einem Lyrik-Band von Uwe Kolbe mit dem lapidaren Titel „Psalmen“.
Die hier zu empfehlenden Neuen Psalmen, insgesamt 30 an der Zahl, sind nichts als Lobpreis und schließen unmittelbar an die Halleluja-Psalmen des Psalters an. Natürlich kommen auch Not und Last des faktischen Lebens zur Sprache, aber alles ist durchstimmt von Begeisterung und Jubel. Diese Neuen Psalmen stehen in der Tradition des neuen geistlichen Liedes, das persönliche Gottinnigkeit mit unmittelbarer Lebensnähe expressiv verbindet. Der gebürtige Schweizer Michael Peter Fuchs, Lehrer, Spiel- und Bewegungspädagoge, inzwischen 70jährig, lebt seit bald 40 Jahren in Kontakt mit einer christlichen Basisgemeinde bei Kiel, aber „der Jesus, (der) in mir spricht“, redet seiner Herzens- und Landessprache Schwyzer-Dütsch. Womöglich ist es nun das andere, das norddeutsche, Idiom seiner Umgebung, durch das die „Herzenssprache“ der Heimat auch für deutsche Ohren so voll geistlicher Kraft und Leidenschaft klingt. Jedenfalls hört man dem begeisterten Sänger seiner Psalmen das Lebensalter nicht an, so jung und werbend klingen sie. Leitworte wie „Heimat“ und „Schönheit“ sind prägend, aber auch Brechungen und Brüchen, Aporien und Probleme werden singend ins Gebet genommen, voll österlicher Freude und Zuversicht. Ja, „mit Gott im rugge“ steht alles im Licht von Zuversicht und Gelingen. Dass das beiliegende Buch die Neuen Psalmen auch im Hochdeutschen bringt, ist selbstverständlich; aber unverwechselbar und schöpferisch verfremdend ist der originale Text, laut (!) gelesen schon und erst recht gesungen.
Dieser knüpft oft bis ins leitende Bild an biblische „Vorlagen“ an und dichtet sie weiter. „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“, heißt es z.B. psalm 158. Andere sind ersichtlich angeregt durch überlieferte Gebete, z.B. von Nikolaus von der Flüe (psalm162). Andere loben im Stil des franziskanischen Sonnengesangs die Schönheit der Erde und des Lebens: „ich weiss wie mir überläbe tüend /ich chönne de wäg/de räge gheit“ – so beginnt psalm 153. Immer freilich ist, ohne modisch zu werden, der akute Zeitindex präsent, das Wissen um die Zerstörung der Schöpfung und die Gefährdung gelingenden Lebens. Die Neuen Psalmen singen gegen das Dunkel an und bestehen auf dem Licht. Neben den biblischen Sehnsuchtsruf „maranatha“ /“Komm, Herr“ kann im Gleichklang der indianische Kriegsruf „“hokahey“ erklingen – der Schrei nach Gerechtigkeit und Frieden für alle und alles. Alles atmet die biblische Lust an der Schöpfung: sehr gut und sehr schön ist es, nein wird sie werden und soll sie sein. psalm 169 be-singt deshalb die Einladung Jesu aus, zu ihm zu kommen und Befreiung zu erfahren.
Dabei haben diese Psalmen immer den Mut zum persönlichen Bekenntnis. Wie bei den biblischen Vor-Gängern und Hinter-Gründlern ist ein mächtiges Vertrauen zum Ich-Sagen am Werk, kühn und schutzlos setzt es sich Gott aus und ruft ihn herein in die biografische Situation: „wo wär ich glandet/ohni DIINI grossi gnad/wer wär ich hüt/ohni DIINI tüfi liebi…“ (psalm 155). Das hörende und betende Ich weiß sich angesprochen durch das Wunder des Daseins, durch das Wort der Schöpfung; aber es kennt auch die Beziehungsnöte zwischen Gott und Mensch. Wohl nicht zufällig schließt die eindrucksvolle Sammlung mit ermutigenden Worten jenes unbegreiflichen Gegenübers, das in uns selbst spricht: „ICH BIN das leiseste das allerleiseste was es gibt“. Das muß man er-hören – auf der CD, in Konzert und Kirche, im Herzen und Leben.
Noch eines sei betont: Lobpreis und Gottesdienst sind untrennbar. Diese neuen Psalmen haben ihren Sitz im Leben wesentlich in der Liturgie. Das persönliche und das gemeinschaftliche Bekennen und Begeistern leben aus demselben Geist und verkörpern ihn. Die Zusammenkunft von Lobenden und Singenden, und damit die Psalmen selbst, werden dann zum Klang-Körper, den man Gemeinde nennt und Kirche. „Gott loben, das ist unser Amt.“
So wünscht man Michael Peter Fuchs und seinem Team viel Resonanz bei Einzelnen und in Gruppen und Gemeinden. Er stiftet konkret Singen an und zum Über-setzen; in der mundartlichen „Brechung“ kommt Altes neu ins Ohr und Herz, und Neues bricht auf.
Michael Peter Fuchs: mit gott im rugge. Neue Psalmen in Schweizerdeutsch und Hochdeutsch, rex-Verlag Luzern 2021, ISBN 978-3-7252-1076-3 24,8o CHF/19,8o €; als CD 978-3-7252-1o77-0 22CHF/18€; als Bundle : 39CHF/3o€